SDG 11

Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten

 

§ Barrierefreiheit im öffentlichen Raum

 

Die Zugänglichkeit von Gebäuden und Plätzen sowie die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen gehören zu den zentralen Voraussetzungen einer selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe. Dazu gehören z.B. ein barrierefreier öffentlicher Nahverkehr, Fernverkehr, Fahrdienste vor Ort und die umfassende barrierefreie Ausgestaltung des öffentlichen Raums auch im kulturellen Bereich, bei Erholung, Freizeit und Sport. Die Mobilität von Menschen mit Behinderungen muss öffentlich gefördert werden. Die gilt nicht nur für das berufliche Umfeld, sondern auch für die Teilhabe an der Gesellschaft/Gemeinschaft. Der öffentliche Raum und Transportmittel müssen umfassend barrierefrei umgebaut werden. Private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste für die Öffentlichkeit bereitstellen, müssen per Gesetz zur Barrierefreiheit verpflichtet werden. Aufbau und Unterhalt von Fahrdiensten (im ländlichen Raum) sollten öffentlich gefördert. Ein Beispiel für ein solches Gesetz findet sich in Österreich. Mit dem 2016 verabschiedeten Behindertengleichstellungsgesetz besteht nun eine gesetzliche Verpflichtung privatwirtschaftlicher Unternehmen zur Herstellung von Barrierefreiheit, wenn diese der Öffentlichkeit Waren- oder Dienstleistungen anbieten. Auch in Deutschland wurde im Mai 2021 ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verabschiedet, welches Barrierefreiheitsstandards für Produkte und Dienstleistungen gewährleisten soll. Zivilgesellschaftliche Vertreter*innen kritisieren jedoch, dass das Gesetz nur das Mindestmaß der Vorgaben durch die Europäische Barrierefreiheitsrichtlinie erfüllt und fordern, dass die Regelungen weiter gehen müssen

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.vdk.de/deutscher-behindertenrat/mime/00094417D1460614958.pdf

https://www.bundestag.de/resource/blob/581062/88c05132989c1c6f3f1ff82770d9573e/WD-6-102-18-pdf-data.pdf

https://www.der-paritaetische.de/fachinfo/bundestag-beschliesst-barrierefreiheitsstaerkunsgesetz/

Mit der im November 2020 vorgelegten Baugesetznovelle ist begrüßenswerter Weise der Fokus auf bezahlbares Wohnen gesetzt worden. Doch die Novelle wird den Anforderungen einer nachhaltigen und gerechten Siedlungsentwicklung nicht gerecht. Die uns zur Verfügung stehende Fläche ist begrenzt, doch dieser Gesetzentwurf wird die Inanspruchnahme von mehr Fläche begünstigen. Problematisch ist insbesondere der Paragraf 13b des Baugesetzbuches (BauGB), denn er fördert den beschleunigten und unkontrollierten Flächenverbrauch. Die Sicherung von Stadtnatur, ein sparsamer Umgang mit dem nicht vermehrbaren Gut Grund und Boden und ein integriert gedachter Ansatz von urbaner grüner Infrastruktur spielen im aktuellen Referentenentwurf nur eine untergeordnete Rolle. Besonders die im Entwurf geplante Wiedereinführung des Paragrafen 13b steigert den Flächenverbrauch: Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes zeigt, dass Verfahren auf Basis von § 13b BauGB die Neuninanspruchnahme von siedlungsnahen Freiflächen in besonderem Maße verstärken. Vor allem kleinere, oft ländlich geprägte Gemeinden mit begrenzten Personalkapazitäten in der Verwaltung nutzen das Verfahren nach § 13b, denn dieses wird als Vereinfachung der verfahrensmäßigen und materiellen Anforderungen gesehen. Dabei wird die Schaffung von kostengünstigem Wohnraum verfehlt: Über § 13b werden vor allem Bauvorhaben in kleinem Maßstab, also Ein- oder Zweifamilienhäuser, geplant. Der dadurch geschaffene Wohnraum ist gering, insbesondere nicht günstig und trägt nicht zur Minderung der Wohnungsnot bei. Es braucht eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik, die bezahlbares Wohnen und den Erhalt der grünen Infrastruktur in Siedlungsgebieten in Einklang bringt. Eine doppelte Innenentwicklung innerhalb der Städte ist wichtiger als Neubau auf der grünen Wiese. Der Paragraf 13b BauGB muss gestrichen werden.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/baurecht-flaechenverbrauch-reduzieren-gruenflaechen-erhalten-bund-warnt-vor-falscher-weichenstellung-durch-festhalten-an-13b-in-der-baugesetz-novelle/

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/qualitative-stichprobenuntersuchung-zur-kommunalen

 
 

§ Streichung Paragraf 13b Baugesetzbuches 

§ Selektive Rückbaukonzepte im Kreislaufwirt-schaftsgesetz

 

Verschiedene Maßnahmen zur Entbürokratisierung haben Kontrollmöglichkeiten der Kommunen über Rückbaumaßnahmen stark eingeschränkt. Selektiver Rückbau ermöglicht die Wiederverwendung von in vielen Bauwerken enthaltenen wertvollen Rohstoffen. Die (Wieder-)Einführung einer Anzeige- und Genehmigungspflicht von Rückbaumaßnahmen und verpflichtende Schulungsmaßnahmen für Rückbauunternehmen können zu einer besseren Wiederverwertung beitragen. Entsprechende Kontrollpflichten müssen im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) festgelegt werden.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021_01_11_texte_05-2021_bauprodukte_recycling.pdf

Luftverschmutzung ist nach wie vor eines der größten Umweltprobleme in Europa. Trotz europaweit geltender Grenzwerte für gesundheitsschädliche Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid (NO2) oder Feinstaub (PM10 und PM2,5) und dem Recht auf saubere Luft, beklagen wir nach wie vor etwa 63.000 vorzeitige Todesfälle aufgrund der Feinstaubbelastung sowie knapp 10.000 aufgrund von zu hohen NO2 Werten (EEA 2020). Luftverschmutzung belastet nicht nur die Gesundheit der Bürger*innen, sondern schadet auch unserer Umwelt und dem Klima. Zum Schutz der Gesundheit, der Natur und des Klimas müssen Bund und Länder, für eine sichere Einhaltung geltender Luftqualitätsgrenzwerte sowie für die Umsetzung verbindlicher Emissions-Minderungsvorgaben, die Umsetzung wirksamer Maßnahmen sicherstellen. Dabei ist auch auf eine Anpassung von Luftreinhalteplänen auf den jeweils aktuellen Stand von Emissionsfaktoren insbesondere für den Straßenverkehr zu achten. Das Jahr 2020 hat aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen eine Absenkung der Luftschadstoffbelastung gezeigt. Es wird darauf ankommen, diese Entlastung dauerhaft durch wirksame Maßnahmen im Verkehrsbereich – Stichwort Verkehrswende -, aber auch mit Blick auf Holzfeuerung und Landwirtschaft sicherzustellen. Zunehmend verweisen Studien auf die Tatsache, dass auch unterhalb der EU-weit geltenden Grenzwerte hohe Gesundheitsschäden auftreten. Es ist daher erforderlich, die Gesetzgebung an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation anzupassen.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.duh.de/themen/luftqualitaet/

 
 

§ Gesetzgebung zur Luftverschmutzung anpassen

 

§ Bundesgesetz zur Mietenbegrenzung

 

Um die rasant steigenden Mieten in Berlin zu begrenzen, trat im Februar 2020 ein neues Berliner Landesgesetz, das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietbegrenzung oder kurz „Mietendeckel“, in Kraft. Damit wurden alle privaten Mieten, die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbart waren, für die nächsten fünf Jahre eingefroren. Des Weiteren wurden mit dem Gesetz auch die Mieterhöhungsmöglichkeiten nach einer Modernisierung eingeschränkt, sowie Mietobergrenzen bei Neuvermietung festgelegt. Bürger*innen hatten danach außerdem einen Absenkungsanspruch, wenn die zu bezahlende Miete mehr als 20 Prozent über der Mietobergrenze lag. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 15.4.2021 den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig, mit der Begründung, dass die Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit fallen. Die Länder seien demnach nur dann zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht habe (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG). Nach Auffassung der Richter hatte jedoch der Bundesgesetzgeber genau das mit den Vorschriften in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gerade nicht entschieden, dass gesetzliche Mietendeckel-Bestimmungen nicht möglich sind. Um bezahlbares Wohnen für alle zu ermöglichen, braucht es nun ein Bundesgesetz zur Begrenzung der Mieten. Eine solche Regelung liegt laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey vom April 2021 im Interesse von 68,9 % der Personen, die keine Immobilie besitzen und selbst im Interesse von 50,9 % der Immobilienbesitzer*innen. 

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.berliner-mieterverein.de/mietendeckel.htm

https://www.mieterschutzbund-berlin.de/news-lesen/items/Mietendeckel_verfassungswidrig.html

 Das geht auch auf Bundesebene

Zur Förderung einer klimagerechten Innenentwicklung von Städten ist eine angemessene Durchgrünung und Gestaltung von Baugrundstücken sicherzustellen. Verpflichtende qualifizierte Freiflächengestaltungspläne stellen hierfür ein wichtiges Instrument dar. Sie integrieren alle umwelt- und naturschutzrechtlichen Anforderungen sowie Anforderungen der Feuerwehr, der Barrierefreiheit, des Niederschlagswassermanagements und der Spielplatzversorgung u.ä. an ein Bauvorhaben in einem schlüssigen Gesamtkonzept und ermöglichen so eine ganzheitliche Betrachtung von Bauvorhaben. Sie sind die Voraussetzung für die konkrete Realisierung qualitativ hochwertigen Stadtgrüns sowie des Insektenschutzes in der urbanen oder periurbanen Kulturlandschaft. Städte wie München, Nürnberg oder Münster arbeiten seit langem erfolgreich mit kommunalen Satzungen, die Freiflächengestaltungspläne vorschreiben. Die Verabschiedung eines Gesetzes auf Bundesebene, welches qualifizierte Freiflächengestaltungspläne verpflichtend macht, würde bundesweit sicherstellen, dass sich Städte klimagerecht entwickeln.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.bdla.de/landesverbaende/berlin-brandenburg/nachrichten/1203-positionspapier-freiflaechenplan

https://aoew.de/wp-content/uploads/Positionspapier_Klimafolgenanpassung_final-Einzelseiten.pdf

 

§ Verpflichtende qualifizierte Freiflächengestaltungspläne im Baurecht in München, Nürnberg und Münster

 

§ Mobilitätsgesetz in Berlin

 

Als erstes Mobilitätsgesetz bundesweit hält das Mobilitätsgesetz in Berlin aus dem Jahr 2018 gesetzlich fest, dass der Umweltverbund aus ÖPNV, Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen künftig vorrangig vor dem motorisierten Individualverkehr behandelt werden muss. Das Gesetz zielt darauf ab, den Anteil des Umweltverbunds am Modal Split deutlich zu erhöhen, bspw. durch den Ausbau der Fahrradinfrastruktur und des ÖPNV. Zudem soll der Autoverkehr stadtfreundlicher werden. Problematisch war bei der Schaffung des Gesetzes die ungleichmäßige Einbeziehung aller relevanter Stakeholder. Insbesondere der Rad- und Fußverkehr darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. 

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://gesetze.berlin.de/bsbe/?aiz=1&docId=jlr-MobGBErahmen&query=JURISLINK%3A%22MobG+BE%22