SDG 1

Armut in all ihren Formen und überall bekämpfen

 

§ Einführung einer Kindergrundsicherung

 

Etwa 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland wachsen arm oder armutsgefährdet auf. Mit dieser Situation gehen verminderte Chancen in Bezug auf ihr materielles und gesundheitliches Wohlergehen, ihre kulturellen Entwicklungs- sowie ihre sozialen Teilhabemöglichkeiten einher. Demgegenüber steht ein Geflecht aus staatlicher Unterstützung im infrastrukturellen und im monetären Bereich. In Bezug auf Letzteres sind die Leistungen zwar vielfältig, doch oftmals nicht aufeinander abgestimmt, kompliziert, für viele Berechtigte schwer verständlich und im Ergebnis oft ungerecht.

Aus diesem Grund muss eine Kindergrundsicherung eingeführt werden, die die pauschal bemessenen Leistungen zusammenführt. Der Anspruch auf die Kindergrundsicherung liegt beim Kind selbst. Sie soll weitgehend vorrangig vor anderen Sozialleistungen sein, damit Kinder aus dem stigmatisierenden Bezug von SGB II-Leistungen und der verdeckten Armut herausgeholt werden. Mit Hilfe einer Kindergrundsicherung kann es gelingen, die Armutsrisikoquote von Kindern und Jugendlichen auf unter vier Prozent zu senken. Die Kindergrundsicherung muss auf vier zentralen Kriterien aufbauen. Sie muss 1. das Existenzminimum für alle Kinder auskömmlich gestalten und gleichermaßen sichern. Das bedeutet, dass der Betrag, den ein Kind monetär (neben einer guten Infrastruktur) zu einem guten Aufwachsen braucht, realistisch und sachgerecht bestimmt werden muss. Dieses Existenzminimum muss dann Richtschnur sein für Ansprüche von Kindern im Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht; 2. sozial gerecht ausgestaltet sein, d.h. gemessen am Einkommen des Haushaltes, in dem das Kind lebt – meist die Familie – abgeschmolzen werden; 3. unbürokratisch und möglichst direkt ausbezahlt werden. Das Ziel einer Kindergrundsicherung ist eine Inanspruchnahme von 100 Prozent der Berechtigten, d.h. von allen Kindern und Jugendlichen; und 4. die vertikale Gerechtigkeit fördern. 2021 beträgt die Höhe des soziokulturellen Existenzminimums 695 Euro. Für Kinder, deren Eltern hohe Einkommen haben, wird dieser Betrag durch die kindbedingten Freibeträge im Steuerrecht pro Kind und Monat bereits jetzt schon anerkannt. Solange dieser Betrag nicht auf andere Weise realistisch bemessen ist und steuerrechtlich gilt, ist das die Summe, die jedem Kind, welches in der Mitte der Gesellschaft oder am untersten Einkommensrand lebt, mindestens zustehen muss. Dieser Betrag soll allen Kindern und Jugendlichen, die in Deutschland leben, zustehen.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

http://www.kinderarmut-hat-folgen.de/

Zwei Drittel der Eltern geben an, einen zusätzlichen Betreuungsbedarf für ihr Kind außerhalb der Regelzeiten zu haben. Für viele Familien ist der Spagat zwischen Kinderbetreuung und Beruf kaum zu meistern. Besonders betroffen sind Menschen in Berufen mit Schicht- und Wochenenddienst, sowie Alleinerziehende, da sie die Hauptverantwortung für die Betreuung der Kinder übernehmen und gleichzeitig auch Hauptverdiener*innen sind. Eltern müssen eine eigenständige Existenz für sich und ihre Kinder grundsätzlich durch Erwerbstätigkeit sichern können. Hierfür sind Kinderbetreuungsangebote nötig, die die Arbeits- und Wegzeiten der Eltern abdecken. Ein bundesweiter Anspruch auf bedarfsgerechte ergänzende und kostenfreie Kinderbetreuung zu Randzeiten früh morgens, abends und am Wochenende bis zum 14. Lebensjahr muss deshalb gesetzlich z.B. im SGB VIII verankert werden. Zusätzlich müssen Maßnahmen für eine familienfreundlichere Arbeitswelt ergriffen werden, etwa durch ein Wahlrecht für Arbeitnehmer*innen hinsichtlich ihrer Arbeitszeit und des Arbeitsorts, das unter dem Vorbehalt betrieblicher Gründe steht.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.vamv.de/fileadmin/user_upload/lv_nrw/VAMV_Wirksamkeit-und-Nutzen-ergaenzender-Kinderbetreuung_2018.pdf

 
 

§ Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung zu Randzeiten

 

§ Unterhaltsvorschuss ausbauen

 

Der Unterhaltsvorschuss ist eine Leistung des Staates für Kinder von alleinerziehenden Müttern und Vätern. Er wird ausgezahlt, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht, nur teilweise oder unregelmäßig Unterhalt zahlt. Etwa 50 Prozent der Alleinerziehenden erhalten keinen Unterhalt, weitere 25 Prozent erhalten zwar Unterhalt, dieser unterschreitet allerdings den rechtlich vorgeschriebenen Mindestanspruch. Im Gegensatz zum regulären Unterhalt, der bis zum Ende der ersten beruflichen Ausbildung gezahlt werden muss, endet die Auszahlung des Unterhaltsvorschusses spätestens mit dem 18. Lebensjahr. Des Weiteren wird das Kindergeld zu 100 Prozent auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet, auf den regulären Unterhalt nur hälftig. Die gesetzlichen Regelungen zum Unterhaltsvorschuss müssen deshalb reformiert werden und an die Regelungen zum regulären Unterhalt angepasst werden.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/unterhaltsvorschuss

https://www.vamv.de/positionen/themen/familienpolitik/unterhaltsvorschuss

Fast 6 Millionen Menschen in Deutschland leben ganz oder teilweise von Hartz IV4. Die derzeitigen Hartz IV Regelsätze sind sachlich nicht nachvollziehbar ermittelt und im Ergebnis nicht bedarfsdeckend. Die Regelsätze liegen zum großen Teil deutlich unter der Armutsrisikoschwelle. Ein Leben mit Hartz IV bedeutet permanenten Mangel und Verweigerung normaler sozialer Teilhabe. Es ist daher an der Zeit, Korrekturen an der Bemessung des Existenzminimums vorzunehmen. Die Ermittlung der Regelbedarfe muss sich an den gesellschaftlich üblichen Standards orientieren und darf nicht dazu führen, dass Bedarfe nicht gedeckt sind. Daher braucht es neben einer sachgerechten Ermittlung der Leistungen einen Kontrollmechanismus, um zu prüfen, ob Teilhabe mit dem neu berechneten Existenzminimum tatsächlich möglich ist. Des Weiteren sollte die sogenannte „weiße Ware” (Kühlschrank, Waschmaschine, etc.) nicht im Regelsatz erfasst, sondern als einmalige Leistung gezahlt und die derzeit sehr gering veranschlagte Stromkostenpauschale dringend angehoben werden und sich an den tatsächlichen Ausgaben orientieren. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber mit seinem Urteil 2010 mit auf den Weg gegeben, dass sich der Bedarf für Bildung und Teilhabe auch in den Kinderregelsätzen widerspiegeln muss. So ist die Streichung etlicher Ausgabepositionen bei Kindern mit Verweis auf Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) nicht nachvollziehbar. Diese decken viele individuelle Bedarfe nicht, eine Inanspruchnahme hängt vom Vorhandensein konkreter Angebote vor Ort ab. Für viele Kinder und Jugendliche ist das Existenzminimum nicht gedeckt. Alle, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, sollen garantiert und angstfrei abgesichert sein. Jedoch können die Jobcenter Sanktionen in Form von Geldkürzungen verhängen. Für die Betroffenen bedeuten Sanktionen eine existenzielle Bedrohung – bis hin zur Obdachlosigkeit. Rund 1 Million mal kürzen die Jobcenter jährlich das Existenzminimum von Menschen. Um Menschen vor Armut zu schützen, müssen nicht nur die Hartz IV Regelsätze erhöht sondern auch die Hartz IV Sanktion abgeschafft werden.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.der-paritaetische.de/blog/article/2020/10/08/armut-abschaffen-nur-moeglich-mit-hoeheren-hartz-iv-leistungen/

https://www.zukunftsforum-familie.de/fileadmin/user_upload/pdf/infocenter/stellungnahmen/20201028_Stellungnahme_Ermittlung_Regelbedarfe_ZFF.pdf

www.sanktionsfrei.de

 
 

§ Erhöhung der Hartz IV Regelsätze

 

§ Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente verbessern

 

Bis Anfang der 2030er Jahre wird der allgemeine Leistungsstandard der gesetzlichen Rente um rund 20 Prozent sinken. Die dadurch entstehende Sicherungslücke soll durch staatlich geförderte betriebliche Altersversorgung sowie private Altersvorsorge geschlossen werden. In den letzten Jahren konnte jedoch beobachtet werden, dass diese Teilprivatisierung der Vorsorge zur Verschärfung der Einkommensungleichheit im Alter beiträgt und das Risiko für Altersarmut erhöht. Um das zu verhindern, muss das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente wieder angehoben werden und perspektivisch 53 Prozent betragen. Die Grundrente muss vor Altersarmut schützen und dementsprechend fortentwickelt werden. Leistungen, die Kindererziehung honorieren, sollten gestärkt und dahingehend weiterentwickelt werden, dass sie eine partnerschaftliche Aufteilung zwischen den Eltern von Geburt des betreffenden Kindes an fördern. Dafür sollte die Orientierung am Lebensstandard gesetzlich wiedereingeführt werden und an die Stelle des Vorrangs der Beitragsstabilität treten. Des Weiteren muss die Rentenanpassung an die Lohn- und Gehaltsentwicklung geknüpft und Dämpfungs- und Kürzungsfaktoren abgeschafft werden. Das Renteneintrittsalter sollte nicht weiter angehoben und nicht an die statistische Lebenserwartung gekoppelt werden. Die beschlossenen Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten müssen außerdem auf die Bestandsrenten ausgeweitet werden. Eine gute Rente setzt voraus, dass die gesetzliche Rentenversicherung über die erforderlichen Beitragsmittel verfügt, die Beitragsfinanzierung sollte dabei paritätisch aufgeteilt werden. So kommen sowohl Arbeitnehmer*innen als auch Arbeitgeber*innen ihrer sozialen Verantwortung nach. Eine Grundsicherung im Alter muss allen Menschen in Deutschland unabhängig von Herkunftsland und Aufenthaltsstatus zur Verfügung gestellt werden.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

ver.di – Zentrale Anforderungen an die Parteien zur Bundestagswahl 2021

http://www.portal-sozialpolitik.de/index.php?page=fuer-eine-rente-mit-niveau

https://www.vamv.de/fileadmin/user_upload/bund/dokumente/Stellungnahmen/VAMV_PP_Alterssicherung_2019.pdf

Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist ein Sondersozialhilfesystem, nach dem der Lebensunterhalt für bestimmte Gruppen ausländischer Staatsangehöriger gedeckt werden soll. Es wurde ursprünglich 1993 eingeführt, um die Sozialhilfeleistungen für bestimmte Personengruppen absenken und in Form von Sachleistungen erbringen zu können. Im Juli 2012 hat das Bundesverfassungsgericht die damalige Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für verfassungswidrig erklärt, da diese evident unzureichend seien, ein verfassungsrechtlich geschütztes menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Dieses stehe „deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.““. Im März 2015 hat der Gesetzgeber das AsylbLG daraufhin grundlegend reformiert, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Seitdem sind jedoch in mehreren Änderungen bereits wieder weitreichende Einschränkungen beschlossen worden. Im August und September 2019 sind weitere gravierende Verschärfungen in Kraft getreten, die die Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG auf zahlreiche neue Gruppen (z. B. Dublin-Fälle) ausweiten, die Regelbedarfe für alle Alleinstehenden in Gemeinschaftsunterkünften um zehn Prozent kürzen, die Bedarfe für Haushaltsenergie und Wohnungsinstandhaltung aus dem Regelsatz herausrechnen, um sie stattdessen gesondert zu erbringen und damit die ausgezahlten Regelsätze für alle kürzen, die Voraufenthaltszeit für die so genannten „Analogleistungen“ von 15 auf 18 Monate verlängern und für eine bestimmte Gruppe Geflüchteter (nämlich „vollziehbar ausreisepflichtige“ Personen ohne Duldung mit einem bestehenden Schutzstatus in einem anderen EU-Staat) sogar jeglichen Leistungsanspruch streichen. Viele dieser Einschränkungen werden von Expert*innen für verfassungsrechtlich unzulässig gehalten. Das Gesetz diskriminiert Asylsuchende und bietet keinen ausreichenden Schutz vor Armut, es muss daher abgeschafft werden. Die Leistungsberechtigten sollten stattdessen in die regulären Sozialsysteme einbezogen werden.

Zum Weiterlesen und Weiterdiskutieren:

https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/auszug_asylbewerberleistungsgesetz_soziale-rechte-2019.pdf

 
 

§ Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes